Andere Zeitzeugen hielten die Franken
grundsätzlich für ungeeignet, die „Süße
der römischen Melodien“ wiederzugeben:
„Mit ihrem älplerischen Körperbau und
ihren wie Donnerhall ertönenden Stimmen
und mit ihren barbarischen Säufergurgeln
bringen sie ein Getöse zustande, als rolle
ein Lastkarren den Berg hinunter.“
Aber Probleme haben ja immer auch ihr
Gutes: So forderte die Einführung des
Chorals alle schöpferischen Kräfte heraus,
neue Formen zu erproben. Sequenz und
Tropus waren solche ersten kompositorischen
Bearbeitungen, mit denen die
Choräle erweitert wurden. Die langen
Melismen erhielten Ton für Ton eine Silbe
(Syllabik), damit sie sich leichter einprägten.
Als nächster Schritt wurden die
Choräle textlich und melodisch um ein
Vielfaches erweitert. Schließlich kam der
Gedanke auf, dass man die Melodien
doch auch noch mit den Halbtönen einer
zweiten Stimme bereichern konnte:
Die Mehrstimmigkeit war geboren.
Sie ist ein wichtiges Kennzeichen der
abendländischen Musik und die Basis für
eine musikalische Entwicklung, die auf
der ganzen Welt einzigartig ist. Und um
das Einprägen dieser zahllosen Melodien
zu erleichtern, arbeitete man fieberhaft
an Handzeichen und schriftlichen
Hinweisen, die das Gesungene festhielten
(Neumen). Das diente einerseits der
Vereinheitlichung und Kontrolle der liturgischen
Gesänge, wurde andererseits aber
zu einem wichtigen Hilfsmittel, das die
musikalische Überlieferung bis zur Erfindung
des Buchdruckes gewährleistete.
Und so war schon bald (9. Jh) im Kern
die Notenschrift erfunden, die bis heute
weltweit Gültigkeit hat.
Unter gregorianischem Choral versteht
man – laut Lexikon – den einstimmigen
unbegleiteten liturgischen Gesang der
römischen Kirche in lateinischer Sprache.
Also – alles rein katholisch? Nein!
Denn egal, was Sie in diesen Weihnachtstagen
an Musik hören oder selbst machen
werden, vom einfachen Weihnachtslied
über Bachs Weihnachtsoratorium zu
Orffs Weihnachtsgeschichte: All diese
Musik steht auf dem Fundament des Gregorianischen
Chorals!
Auch im Evangelischen Gesangbuch sind
viele Lieder zu finden, die aus der Gregorianik
stammen und mit deutschen
Texten versehen wurden.
Heidi Nieswandt, Evangelische Domgemeinde Altenberg (www.altenberg-dom.de)
Neuma (Neumen) (griech.) Wink, Handzeichen
= graphische Zeichen, mit denen die
Interpretation schriftlich fixiert wurde, um eine
Einheitlichkeit der Gregorianischen Gesänge zu
erreichen.
Tropus (die Tropen): Zusätze und Erweiterungen
zu den festgelegten sakralen Gesängen der
Gregorianik, sowohl textlicher als auch melodischer
Art.
Sequenz ist eine Textierung (Tropus) des
gregorianischen Halleluja und ein daraus
entstandener lyrischer, hymnenartiger Gesang.
Melisma (die Melismen): (griech.: melos Lied,
Weise, Gesang) bezeichnet eine Tonfolge oder
Melodie, die auf einer Silbe gesungen wird.
Syllabik (griech. „silbenweise“), bedeutet im
Gegensatz zum Melisma, dass jeder Silbe ein
Ton zugeordnet wird.
Weitere Informationen finden Sie z.B. in Wikipedia unter
Gregorianik,
Neumen,
Stundengebet
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