Tausende von
Melodien mussten auswendig gelernt
werden. Gebete und Lesungen verharrten
zwar meist auf einem Ton, aber schon
die Melodien der 150 Psalmen waren
entsprechend dem Text musikalisch gegliedert
und mit Antwortgesängen als
Rahmen versehen.
Schließlich gab es auch noch zahllose frei
komponierte Gesänge. Ein Alleluja konnte
50 und mehr verschiedene Töne pro
Silbe haben! Verständlich deshalb die
Forderung eines Lehrers, dass „von frühester
Kindheit an bis zum Greisenalter
alle Tage mit dem Erlernen und der Festigung
des Erlernten zugebracht werden
müssen“.
Wichtige Wurzeln dieser Melodien sind,
gemäß der Entstehung der christlichen
Kirche, in jüdischen Tempelgesängen
sowie in der Musik der Antike und des
Vorderen Orients zu finden. Die lateinische
Sprache verhalf dem Choral zu seiner
Ausbreitung und weltumfassenden
Bedeutung.
Im 6. Jh hatte sich Papst Gregor I. in vorbildlicher
Weise um die Sammlung und
Ordnung all dieser damals gebräuchlichen
christlichen Singweisen bemüht.
Seitdem trägt der „Gregorianische Choral“
seinen Namen. Er gründete auch die
römische Schola cantorum, deren Aufgabe
es war, für die authentische Weitergabe
der Melodien zu sorgen.
Auch Karl nutzte diese Hilfe und bestellte
12 des Singens kundige Geistliche aus
Rom als Gesangslehrer zu sich nach Francien
(gemeint ist damit das Gebiet diesseits
der Alpen). Als er jedoch Jahre später
zum Weihnachtsgottesdienst in Paris
weilte, traute er seinen Ohren nicht! Er
vernahm nichts von dem, was er im Jahr
zuvor in Metz gehört hatte! Auch der
Choralgesang zu Epiphanie war in Tours
ein anderer als im Jahr zuvor in Trier!
Kein Wunder, so erfahren wir von dem
Mönch Notker aus St. Gallen:
„Als die Geistlichen Rom verließen, berieten
sie, weil ja immer alle Griechen und
Römer vom Neid auf den Ruhm der Franken
geplagt waren, wie sie das Singen so
verschieden gestalten könnten, dass sich
nie eine Einheitlichkeit ausbreite. Jeder
mühte sich, an seinem Ort so verschieden
und misstönend, wie er nur konnte, selbst
zu singen und das anderen beizubringen.“
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Die modernen gedruckten und für den
liturgischen Gebrauch bestimmten Choralbücher
benutzen fast ausnahmslos die
Quadratnotation.
Aus einer britischen Handschrift des
frühen 13. Jh. eine typische historische Quadratnotation..
Wie im vorherigen Bild ist der Tractus „Vinea“
aus der Osternacht. wiedergegeben.
Vor den Liniennotationen benutzte man
Melodiezeichen ohne Linien, sogenannte Neumen,
die die Tonhöhe bzw. die Intervalle nur unvollständig
kennzeichnen. (St. Gallener Notation
um 920).
Eine wichtige, alte Notationsart gibt in
etwa die Intervalle wieder, obwohl keine Linien
vorhanden. Graduale aus dem 11. Jh.
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